Ärger um “Looks like shit. But saves my life”

Das war mal wieder ein turbulentes Wochenende im Social Web: Medien, Politiker und Internetnutzer gaben rhetorisch Vollgas in Sachen Fahrradhelm-Kampagne des Bundesverkehrsministeriums (BMVI). Welche auf geradezu plakative Weise das Fazit der soeben erschienenen Jahresbilanz des Deutschen Werberats veranschaulicht: So ist Geschlechter-diskriminierende Werbung weiterhin Spitzenreiter aller 2018 beanstandeter Werbekampagnen.

Sieht nicht nur scheiße aus

„Looks like shit. But saves my life“ lautet der Werbespruch der neuen Fahrradhelm-Kampagne von CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer. Bebildert wird dieser vermeintlich zielgruppige Slogan mit spärlich bekleideten Models. Eines davon ein GNTM-„Topmodel“, welches für den Job im Rahmen von Heidi Klums Show gecastet wurde. Nun räkelt sich die 18-jährige Alicija lasziv im Bett – in Unterwäsche und mit Fahrradhelm. Das sieht in der Tat befremdlich aus, weil nicht sonderlich authentisch – eher einer absurden Fantasie entsprungen. Oder vielleicht der scherzhaften Antwort eines Werber-Praktikanten auf die verzweifelte Frage danach, wie man die junge, helmscheue Generation erreicht. „Sex sells geht immer“, scheint die Antwort darauf.

Peinlich, dumm und sexistisch

Als „peinlich, dumm und sexistisch“ bezeichnete die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, Maria Noichl, gegenüber BILD am Sonntag (Artikel erschien auf Welt.de) das Ergebnis. Auch Josephine Ortleb, frauenpolitische Sprecherin der SPD, betonte gegenüber dem Medium, es brauche weder Frauen als Objekte, nackte Haut noch Sexismus, um junge Menschen auf Sicherheit im Radverkehr aufmerksam zu machen. Und was entgegnet Verkehrsminister Andreas Scheuer auf diesen Sexismus-Vorwurf?

X

Mit dem Laden des Posts akzeptierst du die Datenschutzerklärung von X.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Zweck heiligt die Mittel

Frei nach der Devise „schlechte PR ist besser als gar keine“ twittert er fröhlich als Reaktion auf einen kritischen Artikel.

Da bleibt nur der fassungslose Kommentar einer Userin: „Das nennen Sie erfolgreich? #HelmeRettenLeben trendet, weil über #Sexismus in der Werbung und Objektivierung von Frauenköpern diskutiert wird – nicht über Verkehrssicherheit.“ Da kann man nur hoffen, dass der konservative Politiker nicht so blind Fahrrad fährt, wie er argumentiert. Aber der Zweck heiligt offenbar die Mittel. So bekräftigte das BMVI via Twitter, dass es trotz heftigen Gegenwinds hinter seiner Kampagne stünde, weil auf diese provokante Weise die angepeilte Zielgruppe wachgerüttelt würde. Und betont, dass die 400.000 Euro teure Kampagne ein ziemliches Schnäppchen gewesen sei.

Geschlechter-diskriminierende Werbung an der Spitze der Werberat-Bilanz

Da waren die Macher der vom Deutschen Werberat beanstandeten Motive um einiges einsichtiger als das BMVI. So folgten rund 90 Prozent aller Unternehmen dem Votum des Selbstkontroll-Gremiums und stoppten oder änderten ihre beanstandete Werbung. 16 öffentliche Rügen musste der Werberat aussprechen, weil die Unternehmen trotz Beanstandung nicht reagierten. Laut offizieller Pressemitteilung wurden 2018 insgesamt 1.235 Beschwerden zu 702 Werbemaßnahmen eingereicht. 462 davon fielen in den Wirkungsbereich des Kontroll-Gremiums. Auch wenn die Beschwerden über Geschlechter-diskriminierende Werbung gegenüber 2017 zurückgegangen sind, führen sie mit 261 Werbemitteln noch immer das Ranking der Beschwerdegründe an. Deutlich angestiegen sind 2018 laut Werberat Beschwerden über Werbeinhalte, die in den Sozialen Netzwerken verbreitet wurden (plus 22 Prozent). Sämtliche digitalen Werbemittel zusammengenommen, lag Online-Werbung mit insgesamt 100 Beschwerdefällen nahezu gleichauf mit der Plakatwerbung.

Satireverdächtig

Die „Looks like shit“-Plakate des BMVI sollen ab dieser Woche Großstädte wie Berlin, Hamburg, München und Köln zieren. Das würden die SPD-Frauen gerne verhindern – sie fordern einen Stopp der Kampagne. Für den äußerst unrealistischen Fall, dass sie damit Erfolg haben sollten, hätte das Social Web ein paar originelle und nicht sexistische Kampagnen-Alternativen für die bereits gebuchten Werbeflächen.