History of Cinema: Der Film lernt sprechen

In der Reihe „History of Cinema“ schauen wir zurück auf die über 120-jährige Geschichte des ältesten Bewegtbild-Mediums der Welt. Im vorangegangen Teil ging es um die Entstehung der Filmindustrie und den Aufstieg Hollywoods in den 1920er Jahren. Ende des Jahrzehnts kam es zu einer einschneidenden Veränderung für das Medium Film: Die Einführung des Tons. Welche Bedeutung diese Veränderung mit sich gebracht hat, das werden wir in diesem Teil näher beleuchten.

„You ain´t heard nothing yet“

Die ersten ca. 30 Jahre wurde im Film nicht gesprochen, es gab lediglich musikalische Untermalung durch Live-Musiker im Kinosaal. Die Einführung des Tons in den Film veränderte das Medium maßgeblich. Die Studios waren mit der Umstellung auf den Tonfilm lange sehr zögerlich, da sie sehr kostspielig war und man zudem nicht sicher war, ob der Tonfilm beim Publikum gut ankommen würde. Letztendlich war Warner Bros. das Studio, das 1928 mit „The Jazz Singer“ den ersten Tonfilm produzierte.

Die ersten Worte, die je in einem Film gesprochen wurden, waren: „Wait a minute, wait a minute. You ain´t heard nothing yet“. Dies bezog sich im Film darauf, dass das Publikum den Jazz Singer noch nicht singen gehört hat. Die Worte sind allerdings auch sehr passend, weil das Publikum tatsächlich das erste mal etwas im Film hören konnte.

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Warner Bros. hat sich für die Produktion des Films hoch verschuldet und damit ein großes Risiko auf sich genommen. Das hat sich mehr als ausgezahlt: Der Film wurde ein voller Erfolg, das Publikum war begeistert von sprechenden Schauspielern. In den folgenden Jahren fand in allen Studios und Kinos die Umstellung auf den Tonfilm statt und der Stummfilm wurde abgelöst. Die Umstellung hat ungefähr fünf Jahre gedauert und war 1933 in den meisten Ländern erfolgreich vollzogen. Die Einführung des Tons verlief aber nicht ganz reibungslos und war folgenreich für viele Bereiche des Films.

Der Tonfilm setzt sich durch

Die Produktionsweise der Filme erschwerte sich. Die Tonfilmtechnik war recht schwer und sperrig, wodurch die Dreharbeiten sehr unbeweglich wurden. Zudem mussten die Mikrophone in der Nähe der Schauspieler platziert werden und es durfte möglichst keine störenden Umgebungsgeräusche geben, die die Aufnahme des Tons stören konnten. Fortan verlagerten sich die Dreharbeiten nach und nach ins Studio und es wurde nur noch wenig an Originalschauplätzen gedreht.

Vor der Einführung des Tons hatte der Film auch keine Sprache und konnte so recht einfach international vermarktet werden. Durch den Ton ergab sich eine Sprachbarriere, wodurch die internationale Vermarktung erschwert wurde. Um das Problem zu lösen, wurden anfangs einige Filme in mehreren Sprachen gefilmt, d.h. die Szenen wurden hintereinander in verschiedenen Sprachen gedreht, teilweise sogar mit unterschiedlichen Schauspielern. Die Technik reifte weiter, bis die separate Aufnahme des Tons möglich wurde und damit schließlich auch die Synchronisation der Filme.

Die Filmbranche war ein großer Arbeitgeber für Musiker, denn in den meisten Kinos wurden Musiker beschäftigt, die die Filme musikalisch begleitet haben. Mit Einführung des Tons wurden diese überflüssig und mussten zwangsweise entlassen werden. Das führte zu einer massenhaften Arbeitslosigkeit unter Musikern.

Coaches bringen Schauspielern das Sprechen bei

Die Anforderungen an die Drehbuchautoren und Schauspieler veränderten sich. Durch den Ton konnten viel komplexere Geschichten erzählt werden, wodurch dem Drehbuchautoren eine deutlich wichtigere Rolle zugeschrieben wurde. Das veränderte auch die Ästhetik des Films und die Rollen, die gespielt wurden. Durch den gesprochenen Text veränderte sich das gesamte Schauspiel. Es gab spezielle Coaches, die den Schauspielern beigebracht haben, wie sie sprechen mussten.

Die 1930er Jahre waren auch die große Ära des klassischen Hollywoodkinos: Hollywood entwickelte sich zur Traumfabrik. In den Filmen ging es um den Mythos vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten; es gab spannende, heitere und verschwenderisch schöne Produktionen, die den Menschen eine Flucht aus ihrem Alltag erlaubten. Mit dem Studiosystem in Hollywood entwickelten sich auch Genres immer stärker heraus. Zu den ersten richtigen Film-Genres zählen Komödien, Western-, Gangster- und Horrorfilme. Jedes Studio spezialisierte sich auf einzelne Genres, auch Schauspieler und Regisseure wurden nur für bestimmte Genres eingesetzt.

Das Kino blieb nicht frei vom Einfluss des zweiten Weltkriegs. Insbesondere in Europa war das Kino politisch und sozialkritisch geprägt. In den totalitären Staaten wurde Film als „modernes Massen-Beeinflussungsmittel“ gesehen und für Propagandazwecke eingesetzt.