
Golden Globes 2018 – alle, die etwas auf sich halten, laufen in schwarzen Roben und schwarzen Hemden über den roten Teppich. Wer wird zu Grabe getragen? – Die sexuelle Ausbeutung und ungleiche Bezahlung von Frauen durch Männer in der Filmindustrie Hollywoods. Angefangen, hat all das aber auf Twitter.
If you’ve been sexually harassed or assaulted write ‘me too’ as a reply to this tweet. pic.twitter.com/k2oeCiUf9n
— Alyssa Milano (@Alyssa_Milano) October 15, 2017
Ausgelöst wurde die #metoo-Debatte durch zahlreiche öffentliche Anklageschriften von bekannten Hollywood-Schauspielerinnen. Die Klageschriften waren an den Produzenten Harvey Weinstein adressiert, der über Jahrzehnte Frauen in der Branche sexuell genötigt und missbraucht haben soll – von der ungleichen Bezahlung von Männern und Frauen mal ganz abgesehen.
1) @jeffbezos I told the head of your studio that HW raped me. Over & over I said it. He said it hadn’t been proven. I said I was the proof.
— rose mcgowan (@rosemcgowan) October 12, 2017
Nach Milanos Twitter-Post entbrannten die sozialen Netzwerke innerhalb kürzester Zeit. Tausende von Statusmeldungen poppten in den Timelines von Twitter, Facebook und Instagram auf, versehen mit dem Hashtag #metoo und sehr privaten und persönlichen Erfahrungsberichten von weiblichen, aber auch einigen männlichen Nutzern.
Me too. I don’t know if means anything coming from a gay man but it’s happened. Multiple times.
— Javier Muñoz (@JMunozActor) October 15, 2017
Über mehrere Tage wurden aus den Tausenden von Bekundungen, Hunderttausende, schließlich Millionen Zeitzeugnisse. Hier kamen sie alle zusammen, die Frauen (und Männer) dieser Welt, von Lady Gaga bis zur Kellnerin aus Bielefeld. #metoo lautete der Aufschrei: zu deutsch „auch mir (ist das passiert)“.
— Lady Gaga (@ladygaga) October 15, 2017
Because I was shamed and considered a "party girl" I felt I deserved it. I shouldnt have been there, I shouldn't have been "bad" #metoo
— #EvanRachelWould (@evanrachelwood) October 16, 2017
Die Stimmung brodelte in den USA schon das ganze letzte Jahr. Angefangen mit Trumps Präsidentschaft, die, die USA in mehrere, aber insbesondere 3 große Lager und Debatten aufspalten sollten.
Die Debatte um Frauenrechte, die Debatte um Black Lives Matter und die Debatte um den radikalen Rechtsruck im Lande.
Die Debatte um Frauenrechte fand einen ihrer vielen Höhepunkte in einem der misogynistischen Kommentare Trumps. Wir erinnern uns an dieser Stelle kurz an das legendäre „Grab them by the pussy!“. Die Äußerung, eines US-Präsidenten wohlgemerkt, die sofort mit groß angelegten Frauenaufmärschen der US-Amerikanischen Bürgerinnen quittiert wurde. Das war Anfang 2017.
Vor solch einem politisch hoch aufgeladenen Kontext, überrascht es kaum, dass #metoo ein Dreiviertel Jahr später auf fruchtbaren Boden fällt. Fast wirkt er wie der verlängerte Arm der Frauenmärsche Anfang 2017. Während diese auf den Straßen dieser Welt stattfanden, war das Hashtag #me-too indes zunächst eine rein digitale Bewegung, die sich jetzt nun als #timesup auf dem roten Teppich der Golden Globes verlagert hat. Hätte die #metoo/#timesup Bewegung auch ohne den Einsatz von Social-Media-Netzwerken solch eine Reichweite erlangt? - Wohl kaum in diesem Ausmaß.
.@DebraMessing calls out network to its face for paying men more than women. So much more interesting than “Who are you wearing?” pic.twitter.com/R6tNTJDutx #GoldenGlobes #timesup
— Shannon Watts (@shannonrwatts) January 7, 2018
Die Reichweite des Internets ist unbestreitbar groß, das lässt sich auch wieder an der Bewegung des #metoo feststellen. Millionen von Social-Media-Nutzerinnen sollen den Hashtag #metoo genutzt haben und Alyssa Milanos Twitter-Post soll am selben Tag, eine halbe Million gerepostet worden sein, lauten Schätzungen aus der amerikanischen Presse.
Allein 800 Millionen Nutzer auf Instagram, ermöglichen einen unmittelbaren und simultanen Kontakt mit aktiven Nutzern und den Zugriff auf eine breitgefächerte demographische Masse von 14 – 60-jährigen Nutzern und Nutzerinnen. Noch nie zuvor wurden auf globalem Niveau solche Menschen-massen auf direktem Wege erreicht.
Ohne das Internet und die sozialen Netzwerke hätte es kein Hashtag gegeben, Fakt. Und schon gar nicht die globale Kulisse, die die Bewegung bis jetzt zu erobern wusste. War Tarana Burke 2006 noch für die Bewegung der Gleichstellung der Geschlechter auf Brooklyn begrenzt, so ermöglicht das Hashtag erst Ende 2017 ein globales Bekenntnis zur Bewegung.
Sollte auf #metoo wirklich langfristig die Initiative #timesup* folgen, wird #metoo einen analogen und realen Mehrwert erzeugt haben, wie er gerade auf dem roten Teppich in Hollywood zur Schau getragen wurde. Vielleicht ist #metoo dann eine der ersten soziopolitischen Bewegungen, die Social Media wortwörtlich zu einem sozialen Netzwerk machen.
Ob eines der beiden Hashtags nun das Symbol der weiblichen Gleichstellungsbestrebung bleibt oder nicht, die Golden Globes dürften dieses Jahr so politisch gewesen sein, wie selten zuvor.
Autor: DR
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