
Neues Jahr, neues Glück und ein neuer Akt im Stück um die Kontrolle und Besteuerung der Tech-Giganten jenseits des großen Teichs. Die Anti-Helden der unendlichen Saga um Datenklau, Überwachung und Verbreitung von Desinformation hören in den Augen vieler Regierungen auf die Namen Facebook, Google, Twitter, YouTube und Amazon. Und weil vor allem die europäischen Staatslenker und -denker wissen, dass man die Plattformbetreiber nur schrittweise reglementieren kann, setzen sie nun dort an, wo es den US-Firmen am meisten schmerzt: beim Geld.
Längere Zeit war eine baldige EU-weite Regelung fast in Sicht und auf Grundlage eines Berichts der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) folgte auch die Unterzeichnung einer Absichtserklärung durch mehrere EU-Finanzminister. Kern der Forderungen ist kurzgefasst, dass Internetkonzerne, die ihre Gewinne unter anderem durch den Verkauf und den Handel mit Daten von eben EU-Bürgern in ganz Europa verdienen, diese Erlöse nicht nur in Niedrigsteuerländern wie Irland, Luxemburg oder den Niederlanden versteuern sollten. Vielmehr wünschen sich die Kassenwarte Deutschlands, Frankreichs und Österreichs, dass Amazon, Apple, Facebook, Google und Co. praktisch jedem EU-Land etwas von ihrem fetten Werbe- und Dateneinnahmekuchen abgeben. Drei Prozent der Onlinewerbeerlöse sollen die Tech-Riesen dem Wunsch der EU zufolge dann abdrücken.
Frankreich jedoch dauerte das nun alles zu lang und so setze Präsident Emmanuel Macron nun ein erstes Ausrufezeichen im Alleingang. Seit dem 1. Januar 2019 müssen die Macher aus dem Silicon Valley Abgaben auf ihre Einnahmen auch aus Werbung und Nutzerdaten versteuern. Insgesamt erhofft sich Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire Einnahmen in Höhe von rund 500 Millionen Euro für das laufende Jahr. Österreich will dem Beispiel aus Paris folgen und plant die Einführung selbiger Digitalsteuer für Anfang 2020.
Deutschland hingegen setzt immer noch auf internationalen Konsens und will die „Gewinnverschiebung in Länder mit wenig oder gar keinen Steuern“ noch nicht im Alleingang angehen. Sollte aber bis zum OECD-Treffen im Sommer 2020 keine Einigung auf EU- und internationaler Ebene erzielt worden sein, plant auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz, die Gewinne der großen Digitalunternehmen spätestens ab Januar 2021 mit EU-weiten Steuerregeln abzuschöpfen. Eigentlich zusammen mit Frankreich, doch Paris ist da ja nun bereits einen Schritt weiter.
Das grundlegende Problem beim Besteuern der Internetkonzerne und deren Erlöse aus Werbeeinnahmen und dem Verkauf von Nutzerdaten besteht zusammengefasst darin, dass die Technologie-Giganten in der Regel keine wirklichen Betriebsstätten in der EU haben. Sie müssen also physisch nicht unbedingt anwesend sein, um in Europa Geld zu verdienen – wohlgemerkt auch mit den Daten der europäischen Nutzer. Oder aber, sie sind in einem europäischen Land mit niedrigem Steuersatz ansässig, verdienen aber auch Geld damit, indem sie mit Daten von Usern aus anderen europäischen Ländern, in denen höhere Steuern fällig sind, verdienen, ohne dieses dann auch dort dem Fiskus zuführen zu müssen.
Unternehmen wie Amazon mit seinem Sitz im Steuerparadies Luxemburg ist dafür ein prominentes Beispiel. Auch in diesem Sinne und angesichts der globalen Dimension fordert die EU-Kommission multilaterale, internationale Lösungen für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft.
Hinzu kommt schließlich noch die Kluft der Besteuerung zwischen digitalen Modellen internationaler Konzerne einerseits und klassischen Handwerksbetrieben mit Sitz in der EU andererseits. Diese nämlich müssen teilweise über 20 Prozent Steuern auf ihre Erlöse zahlen, während Apple, Amazon, Facebook, Google und Co. keine bis sehr geringe Abgaben leisten müssen. Selbstredend, dass mit Hinblick auf die im Mai stattfindenden Europa-Wahlen jede Partei sich Steuergerechtigkeit auf die politischen Fahnen schreiben will.
Während in der EU also noch darüber diskutiert wird, ob und wie die noch aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts stammende Körperschaftsteuer auf die Digitalgesellschaft heutiger Tage angepasst werden kann, bedient man sich in Hanoi zeitloser Gängelmethoden, um die Internet-Riesen zu kontrollieren – und nicht linientreuer Bürgerinnen und Bürger zu drangsalieren und zu inhaftieren.
Zu Jahresbeginn nämlich ist in Vietnam ein Gesetz in Kraft getreten, dass unter anderem vorsieht, dass die Social-Media-Plattformen auf Geheiß der kommunistischen Regierung alle Inhalte löschen, die nicht die Interessen des Staates widerspiegeln – berechtigte Kritik oder kritische Berichterstattung eingeschlossen. Zudem sollen die Plattformen die Daten aufmüpfiger Nutzer an die vietnamesischen Behörden weitergeben werden.
Ebenso sollen Facebook und Co. innerhalb der nächsten zwölf Monate eigene Vertretungen in Vietnam aufbauen. Facebook verwies an dieser Stelle darauf, dass Inhalte nur dann gelöscht würden, wenn sie den internen Standards widersprächen und dass es Facebook-eigene Richtlinien gibt, die das Verhalten des Social-Media-Giganten bei Auftreten solch absurder Forderungen seitens einzelner Regierungen regeln. Schließlich, so Facebook weiter, werde man auch trotz dieses Gesetzes die Sicherheit seiner Nutzer gewährleisten.
Weniger um eine faire Besteuerung, sondern vielmehr um eine göttliche Gabe, geht es bei der Warnung des Oberhaupts der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill. Der nämlich warnte vor einem ausufernden Gebrauch digitaler Technologien. Damit nämlich bestünde die Gefahr, dass Gadgets, Smartphones und Social Media bald die Kontrolle über die Menschheit gewinnen könnten. Und überhaupt sei derjenige, der das Internet kontrolliere, der Antichrist. Die russisch-orthodoxe Kirche habe zwar nichts gegen digitale Technologien, doch sei man beunruhigt darüber, dass Internetkonzerne darauf abzielten, die Identität der Menschen zu kontrollieren.
Gott sei Dank ist ja wenigstens der katholische Pontifex auf Twitter vertreten. Den einen oder anderen jedenfalls wird dieses himmlische Gegengewicht angesichts der Ankündigung der Ankunft des digitalen Antichristen etwas beruhigen.
Autor: MB
Diskutieren Sie über diesen Artikel