
Der Erste Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) hat nun entschieden: Werbeblocker stellen keinen unlauteren Wettbewerb und keine rechtswidrige, aggressive Geschäftspraxis dar. Geklagt hatte der Axel Springer Verlag gegen die Firma Eyeo, Anbieter des Werbeblockers Adblock Plus. Eine herbe Niederlage für den Verlag und ein Sieg für Eyeo, der weiterhin die Kasse klingeln lassen wird.
Es war der Kampf zweier Geschäftsmodelle. Für den großen Verlag, der seine Online-Inhalte kostenfrei zur Verfügung stellt und sich über Werbeerlöse finanziert, sind Werbeblocker Todfeinde. Zwar ist Eyeo nicht der einzige Anbieter hierzulande, aber der bedeutendste. Und einer mit einem durchaus kritikwürdigen Geschäftsmodell. So verdient das Unternehmen, im Gegensatz zu einigen anderen Werbeblockern, sein Geld damit, dass Adblock Plus bestimmte Anzeigen doch zum Nutzer durchlässt. Um auf diese „Weiße Liste“ von Internetseiten mit „als akzeptabel eingestufter Werbung“ zu gelangen, müssen große Content-Anbieter zahlen und „angemessene Werbeformate“ ausspielen. Dieses sogenannte Whitelisting ist Springer ebenso ein Dorn im Auge, wie das Blockieren von Werbung generell. Der Verlag hält das Blacklisting für unlauteren Wettbewerb und wollte dies nun vom BHG bestätigt sehen. Genauso wie seine Klage, dass Whitelisting eine „aggressive geschäftliche Handlung“ darstellt.
Nun hat der Bundesgerichtshof entschieden, das Eyeos Geschäftsmodell und somit Black- wie Whitelisting legal sind. Schon im August vergangenen Jahres sah das Oberlandesgericht (OLG) München es als rechtens an, dass Eyeo seinen Werbeblocker in der gewohnten Form sowie Whitelisting gegen Geldzahlung anbietet. Geklagt und verloren hatten seinerzeit die Süddeutsche Zeitung, Pro-Sieben-Sat.1 und RTL. Dass Springer mit seiner Klage bis vor den BGH ziehen konnte, lag an einem Teilerfolg, den der Verlag 2016 vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln erzielen konnte. Denn der Kampf gegen Eyeo beschäftigt schon seit Jahren die Gerichte dieses Landes. Nachdem Springer 2015 vor dem Landgericht Köln gegen Eyeo unterlag und in Revision ging, urteilte das OLG im Jahr darauf, dass Eyeo mit AdBlock Plus zwar nicht den Tatbestand der gezielten Behinderung, jedoch dem einer aggressiven geschäftlichen Handlung erfülle. So veranlasse Eyeo Unternehmen eine Dienstleistung in Anspruch nehmen, die sie ohne die Blockade nicht benötigt hätten.
Jenes Urteil hat der BGH nun entkräftet und Black- wie Whitelisting grundsätzlich für legal erklärt und damit eine ganze Branche in Aufruhr versetzt. Denn nicht nur der Springer Verlag, sondern die gesamte digitale Medienbranche muss nun ihr Erlösmodell überdenken. Kein Wunder, dass das Urteil noch am selben Tag große Wellen schlug. „Das Urteil ist ein Schlag ins Gesicht der Digitalen Wirtschaft und des unabhängigen Journalismus. Es gefährdet die bewährten Geschäftsmodelle und die Vielfalt der Medienlandschaft, die Folgen sind kaum abzusehen”, entrüstet sich der stellvertretende Vorsitzende des Online-Vermarkterkreises im BVDW, Dirk Maurer, gegenüber dem Branchendienst Meedia. So fürchten gleich mehrere Verbände eine massive Gefährdung des Finanzierungsmodells für journalistische Inhalte. Erlöse über eine Bezahlschranke zu erzielen, sei für die wenigsten Anbieter eine erfolgversprechende Alternative.
Doch es gab auch Stimmen, die das Leitbild des mündigen Verbrauchers bestätigt sahen und würdigten, dass jeder Internetnutzer nach wie vor selbst entscheiden kann, ob er Werbung blockt. Doch selbst wenn der BGH gegen Eyeo entschieden und Werbeblocker hierzulande als nicht legale Praxis eingestuft hätte, wären viele Adblocker-Nutzer wahrscheinlich kurzerhand auf ausländische Produkte umgestiegen. Deren Einschränkung durch deutsche Gerichte ist mehr als unwahrscheinlich. Allerdings müssen Werbeblocker-Nutzer nach wie vor damit rechnen, von den Content-Anbietern von bestimmten Internetseiten ausgeschlossen zu werden. Eine Praxis, wie sie auch der mündige Axel Springer Verlag schon seit geraumer Zeit praktiziert, beispielsweise bei Bild.de. Auf diese Möglichkeit wies der BGH noch einmal explizit in seiner Pressemitteilung zur Urteilsverkündung hin. Genauso wie auf die autonome Entscheidung der Internetnutzer.
Doch damit will sich Springer nicht zufrieden geben. Gegenüber Meedia beteuerte der Verlag, dass er die Entscheidung des Bundesgerichtshofs für falsch hält und in ihr eine Verletzung der Pressefreiheit sieht und kündigt gleich an, Verfassungsbeschwerde einzulegen. Ob die Chancen dafür gut stehen, ist allerdings zweifelhaft, da das Verfassungsgericht sich nicht in der Verantwortung sieht, die Urteile des BGH zu überprüfen. Aber es geht einfach um zu viel, als sich jetzt mit allen Konsequenzen geschlagen zu geben.
Autor: KS
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