Blickwinkel

Der europäische Daten(t)raum

Trends und Innovationen

Mit ihrem Positionspapier zu einer Europäischen Digitalstrategie hat die EU-Kommission in Personen von Wettbewerbs- und Digitalkommissarin Margrethe Vestager und Binnenmarktkommissar Thierry Breton den US-Tech-Giganten nun auch offiziell den Kampf um den Rohstoff des 21. Jahrhunderts angesagt. Richtig, es geht um Daten, ihre wirtschaftliche Bedeutung und darum, das Rennen um sie nicht gegen Facebook, Google und Co. zu verlieren. Oder noch genauer: Die Versäumnisse Europas in Sachen Profit, Schutz und Erhebung bei personenbezogenen Daten und das quasi kampflose Überlassen dieser Daten an die sozialen Netzwerke Made in USA, sollen sich bei den industriellen Daten nicht wiederholen.

Denn diese werden immer wertvoller, weil sowohl ihre Menge wie auch die Menschen, die damit arbeiten und Geld verdienen, und auch ihre Bedeutung für Innovationen kontinuierlich zunehmen. Die Erkenntnisse aus der Analyse von Daten sollen letztlich allen zugutekommen, um damit beispielsweise Ressourcen schonen, Produktivität steigern, Krankheitsprävention verbessern und auch neue Arbeitsplätze schaffen sowie Wirtschaftswachstum sicherstellen zu können.

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(Quelle: EU-Kommission)

Umso weniger verwunderlich, wenn die EU-Kommission in ihrer Digitalstrategie von „Daten als Lebensader der wirtschaftlichen Entwicklung“ und als „wichtige Ressource für die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen durch Start-ups sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU)“ spricht.

Was das Papier dabei nicht nennt, aber sehr wohl meint: Wir als Europäer müssen uns die Kontrolle über unsere Daten von den US-amerikanischen Social Media und Suchmaschinen zurückholen.

Die meisten Daten in der Hand weniger großer Tech-Unternehmen

„Ein großer Teil der weltweit vorhandenen Daten befindet sich derzeit in der Hand einer kleinen Zahl großer Technologieunternehmen. Dies könnte die Anreize für das Entstehen datengetriebener Unternehmen und für deren Wachstum und Innovation in der EU heute schmälern.“

Auch wenn keine Namen genannt werden, sind die Adressaten dieser in „Eine europäische Datenstrategie“ zu findenden Aussage leicht zu identifizieren; nämlich vor allem Facebook, Google und Amazon. Als Privatunternehmen haben diese den öffentlichen und privaten Datenraum sowohl in den USA wie auch in Europa quasi untereinander aufgeteilt. Und damit auch die Monetarisierung dieser Daten und deren Verwendung für die Entwicklung neuer Technologien.

Europa, so das Digitalpapier der EU-Kommission, müsse nun seinen eigenen Weg finden, Potenzial freizusetzen und bei gleichzeitig hohem Datenschutz einen Kanal finden, über den die Daten gewonnen, ausgetauscht und letztlich auch irgendwie kommerzialisiert werden können. Es geht also darum, den Tech-Riesen aus den USA die Goldgräber-Schaufel respektive den Goldgräber-Schaufelbagger aus der Hand zu nehmen und sie aus dem europäischen Claim zu verbannen. Der Spagat besteht letztlich darin, dass weder EU-Staaten noch EU-Unternehmen den Schutz von Daten so locker interpretieren können, wie es Facebook und Co. es tun.

Einheitlicher europäischer Daten(t)raum

Die Vision der Europäischen Digitalstrategie ist ebenso einfach wie ambitioniert: Ein Binnenmarkt für personenbezogene und industrielle Daten, der auch Nicht-EU-Staaten- und Unternehmen offen stehen soll. So etwas wie die Einheitswährung Euro, nur eben für Daten.

Dieser europäische Datenraum soll offen und sicher sein. Und das wird er auch sein müssen, wenn sich darin u.a. hochwertige industrielle, sensible Geschäftsdaten tummeln sollen. In jedem Fall sollen Unternehmen leichten Zugang zu diesen Daten haben und ebenso einfach eigene dort lagern und anbieten können. Ein Datenraum, in dem „Verbraucherschutzrecht und Wettbewerbsrecht uneingeschränkt geachtet werden“ und „die Regeln für Datenzugang und Datennutzung gerecht, praktikabel und eindeutig sind.“ Kurzum: ein Datenraum, in dem EU-Recht und nicht Mark Zuckerberg herrscht.

Asymmetrie im Datenkampf

Auch beim Thema „Ungleiche Marktmacht“ bleiben die eigentlich Angesprochenen ungenannt und gewinnen dadurch umso mehr an Präsenz. Wenn nämlich das Positionspapier zu einer EU-einheitlichen Digitalstrategie sagt, dass große Online-Plattformen als eine kleine Zahl von Akteuren riesige Datenmengen anhäufen und dadurch wichtige Erkenntnisse und Wettbewerbsvorteile erlangen können, wissen alle, dass Facebook, Google, Amazon und Co. gemeint sind.

Und aus dieser Markmacht schließlich ergibt sich ein Datenvorteil, der letztlich dazu führen kann, dass genau diese Plattformen einseitig festlegen, wie der Zugang zu und die Nutzung von Daten auszusehen hat – auf ihren Plattformen selbst ebenso wie mit Hinblick auf die Entwicklung neuer Dienste und die Erschließung neuer Märkte.

Derweil Mark Zuckerberg

Wenn man das Heft des Handelns in der Hand behalten will, muss man einige Seiten zuweilen auch mal abgeben können. So ungefähr jedenfalls interpretierten Digitalkommissarin Margrethe Vestager und Binnenmarktkommissar Thierry Breton den Brüssel-Besuch des Facebook-Godfathers. Im Gepäck hatte Mark Zuckerberg die Einsicht, dass Tech-Unternehmen staatliche Regulierungen brauchen, und am liebsten solche, die sie sich selbst diktieren können und die EU dabei als eine Art Handpuppe benutzen.

Tatsächlich liest sich Zuckerbergs Vorschlag, wie eine Regulierung seiner Plattform aussehen könnte, wie eine Ansammlung von Argumenten, die einer solchen Regulierung widersprechen.

Denn:

  • strengere Vorschriften für Plattformen könnten auch zur Folge haben, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen, die sich keine eigene Datenerhebung und -analyse leisten können und deswegen auf die Daten von Facebook angewiesen sind, beim Zudrehen des Datenhahns unter die Räder der großen Unternehmen kommen könnten, die sich wiederum teure Daten leisten können.
  • Daten sind nicht gleich Daten. Wenn man beispielsweise seinen Geburtstag mit jemandem teilt und diese Person dieses Geburtsdatum in seine Kalender-App einträgt, wem genau gehören dann diese (Geburtstags-)Daten?
  • es kommt auf die richtige Balance an zwischen einerseits Datenschutz und andererseits dem Nutzen, den Innovationen und Forschung aus Daten ziehen.
  • ohne klare Regeln darüber, welche Wege welche Daten über welche Kanäle und in welcher Form nehmen dürfen, würde ein strengerer Datenschutz nur dazu führen, dass sich am Ende gar nichts mehr dreht. Für niemanden. Denn dann würden Unternehmen aus Angst vor rechtlichen und finanziellen Konsequenzen jeglichem Datenaustausch den Riegel vorschieben, womit die heilsbringenden Datenströme versiegen und versanden würden.

Weder Thierry Breton noch Margrethe Vestager wollten ihre Treffen mit Zuckerberg als gute Gespräche bezeichnen. Vielmehr stellten sie klar, dass nicht die EU sich an Facebook, sondern Facebook an die EU und deren Regeln anpassen müsse. Ob diese Message bei Mark Zuckerberg angekommen ist und die Europäische Digitalstrategie zu mehr Daten-Demokratie führen wird? Die Ankündigung der EU-Kommission, den Kampf um europäische Daten noch nicht aufgegeben zu haben, hat zumindest schon mal Wirkung gezeigt.

Autor: MB

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