Die Macht der Metadaten

Dass sämtliche Statusmeldungen oder Bestellungen, Fotos oder Likes, die wir im Internet hinterlassen haben, getrackt und zu Werbezwecken analysiert werden, ahnen wohl die meisten. Dass sich aber anhand von Metadaten unser ganzes Leben per Algorithmus rekonstruieren lässt und umfangreiche Bewegungsprotokolle von uns erstellt werden können, ist für die meisten wohl eher neu. Forscher des University College in London haben das vor kurzem bewiesen. So werden beispielsweise mit jedem Tweet auf Twitter 144 obskure Datenfelder automatisch befüllt, die umfangreich Aufschluss über uns geben. Sogar über unsere Identität.

„You are your Metadata“

Account-Name, Zeit und Ort des Inhalts, favorisierte Accounts, Follower, Links, Hashtags und viele weitere Informationen werden anhand dieser 144 Datenfelder abgegriffen. „You are your Metadata“ heißt dann auch die Studie der drei Wissenschaftler, die für ihre Untersuchung drei verschiedene Maschinenlernsysteme einsetzten. Die Informationsdichte der analysierten Metadaten war dermaßen hoch, dass jedes der drei Systeme die Identität des Twitter Nutzers nahezu sicher ermitteln konnte – das beste schaffte es mit einer Genauigkeit von 96,7 Prozent. Dabei betonten die Wissenschaftler, dass es ihnen nicht um Twitter im Speziellen ging, denn die genutzte Methode könne genauso auf andere Plattformen wie Facebook, Snapchat und Co. angewandt werden.

Analysierte und kategorisierte Metadaten

Denn für all diese Internet-Unternehmen sind Metadaten hochinteressant. Wer, wann, wie lange, von wo aus und wie oft mit wem kommuniziert, ist meistens viel aussagekräftiger als das, was eigentlich gesagt wird. Und vor allem: Metadaten sind standardisiert. Und damit leichter vergleichbarer als andere Daten. Darüber hinaus sind sie einfach zu sammeln und zu analysieren – dafür bedarf es lediglich ein paar cleverer Algorithmen. Auf diese Weise lassen sich nicht nur Identitäten und Bewegungsprotokolle, sondern auch detaillierte Konsumentenprofile erstellen sowie Zielgruppen identifizieren und kategorisieren.

Lukratives Geschäftsmodell

Social Media Unternehmen nutzen Metadaten für die Kundenbindung und für Werbung. Alle von uns preisgegebenen Informationen werden generiert, selektiert und genutzt, um uns kennenzulernen. Im zweiten Schritt werden diese Profile dann der Werbewirtschaft zur Verfügung gestellt in Form von Vermarktung. Soziale Medien sind für die Werbewirtschaft sehr wertvoll, weil sie Plattform mit großer Reichweite und langer Aufenthaltsdauer sind und aufgrund detaillierter Nutzerprofile ein performantes Targeting bieten können. Denn die scheinbaren Nebenprodukte der Gratisdienste im Internet sind in Wahrheit deren Hauptprodukte – mit der beträchtliche Gewinne gemacht werden. Daran wird selbst die neue europäische Datenschutzverordnung vorerst nicht viel ändern.

Big Brother

Wen das ebenso wenig beunruhigt, wie die Fragen, wie oft unsere Daten schon weiterverkauft wurden, auf wie vielen Servern sie bereits weltweit lagern und wie sicher sie dort sind, der wird vielleicht von folgender Überlegung wachgerüttelt: Wer kann nicht alles auch dasselbe machen, was die drei Londoner Wissenschaftler gerade vorexerziert haben? Beziehungsweise hat dies nicht vielleicht schon getan und zu welchem Zweck? In Zeiten mobiler sozialer Medien lassen sich nicht nur detaillierte Konsumentenprofile und umfangreiche Bewegungsprotokolle erstellen, auch unser gesamtes soziales Netzwerk und unsere Kontaktpersonen werden durch Metadaten offengelegt.

Jeder Geheimdienst sammelt Metadaten über die Kommunikation seiner Bürger. Bereits vor Jahren wurde bekannt, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst BND in großem Umfang Datensammlungen durchführte und die Informationen anschließend an den amerikanischen Geheimdienst NSA weitergab.

Sensibilisierung der Internetnutzer

So bleibt nur zu hoffen, dass die drei britischen Forscher mit ihrem Anliegen erfolgreich sind: Das Bewusstsein für den Datenschutz und dem damit verbundenen Risiko in Zusammenhang mit Metadaten zu erhöhen. Angesichts der steigenden Anzahl offen zugänglicher Daten sowie der nach wie vor großen Beliebtheit sozialer Netzwerke, samt deren diversen Schnittstellen, ist das ein ziemlich dringender Appell.