Blickwinkel

Finger weg von WhatsApp?

Trends und Innovationen

Ein Leben ohne die Messenger-App WhatsApp? Für einige eine Utopie, für die meisten aber wohl eher eine Dystopie, also ein Schrecken und Schaudern erregendes Gegenbild zur positiven Sicht auf die Zukunft. Ob es jemals dazu kommen wird, ist zumindest momentan eher unwahrscheinlich. Schließlich, so eine aktuelle Studie von App Annie – einem App-Datenanalyse-Anbieter – ist WhatsApp nicht nur auf dem Vormarsch, sondern sogar auf der Überholspur. Laut App-Annies „The State of Mobile 2019“ huschte der Messenger-Dienst letztes Jahr hauchdünn an seiner Mutter Facebook vorbei – auch dank seines gigantischen Wachstums von 30 Prozent bei den monatlichen aktiven Nutzern (Monthly Active Users/MAU) zwischen Juli 2017 und Oktober 2018, während die Facebook-App nur um ein Fünftel wuchs, die Facebooks Messenger App gar nur um 15 Prozent. Instagram als weiterer Teil der Zuckerberg-Social-Media-Familie steigerte seine MAUs zwar um 35 Prozent, liegt aber bei den Userzahlen noch weiter hinter seinen größeren Geschwistern.

Facebook Smartphone MAUs Worldwide.png

(Quelle: App Annie „The State of Mobile 2019“)

Kurzum: WhatsApp ist vielen wirklich wichtig. Angesichts des jüngsten Politiker- und Promi-Hacks, vom dem Hunderte betroffen waren, ermutigt nun aber unter anderem Deutschlands oberster Datenhüter, der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber, Nutzerinnen und Nutzer zu mehr kritischer Distanz beim Umgang mit WhatsApp. Er selber würde WhatsApp nie benutzen, sagte er in einem Interview mit dem Handelsblatt. Alleine schon, weil man – um WhatsApp in vollem Umfang und mit allen Funktionen nutzen zu können – den gesamten eigenen Kontakteordner für den Messenger öffnen muss. Je kritischer und sensibler die Daten darin sind, desto größer auch die Verantwortung dafür. Und wenn man sich dazu vor Augen hält, dass Facebook auch die über WhatsApp erhobenen Daten nutzt, man aber nicht weiß, was genau damit geschieht, betritt man mit all seinen persönlichen Daten im Gepäck nicht nur nach Auffassung des Bundesdatenschutzbeauftragten eine sehr graue Zone.

Threema ist Thema

Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek, der zudem auch Obmann im Digitalausschuss des Bundestages ist, kann sich für WhatsApp nicht begeistern. Vielmehr rät er eher zu Messenger-Diensten wie Threema. Für die aus der Schweiz stammende App muss man zwar rund 3 Euro auf die iOS App Store- bzw. Google Play Store-Theke legen, bekommt dafür aber eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung plus aller anderen auch von WhatsApp bekannten Funktionalitäten. Zudem stehen die Server ausschließlich in der Schweiz, sodass Wilhelm Tell persönlich über deren Sicherheit wacht und sie mit seiner digitalen Armbrust vor fremdem Zugriff schützt.

Auch wenn sich bei der Bekanntgabe von Facebooks WhatsApp-Übernahme Anfang 2014 die Downloads für die Messenger-Alternative zu WhatsApp vervielfachten und Anfang 2018 4,5 Millionen User im deutschsprachigen Raum gezählt wurden, erreichen die Nutzerzahlen aber noch lange nicht jene des Messengers Nummer 1. Während man also bei praktisch jedem Freund, Bekannten und Kollegen davon ausgehen kann, dass er WhatsApp hat und nutzt, bleibt Threema noch ein Fall für die Nische.

WhatsApp als Messenger-Synonym

Die Verbreitung und quasi Alleinherrschaft von WhatsApp unter den in Deutschland regelmäßig genutzten Messengerdiensten veranschaulichen auch die Zahlen aus dem jetzt erschienenen Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2018.

Onlinetätigkeiten und Anwendung 2000-2016.jpg

(Quelle: Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2018; bearb. von Marcello Buzzanca)

Weitere Zahlen aus dem Bericht untermauern die „Synonymisierung“ von WhatsApp und Messenger wie auch die Social-Media- und Dark-Social-Macht, die die Nachrichtenanwendung und ihr Mutterkonzern innehaben: An einem durchschnittlichen Tag, so die Untersuchung, nutzen fast ein Viertel aller Deutschen Facebook und 47 Prozent zieht es täglich zu WhatsApp. 12 Prozent informieren sich via Facebook über das aktuelle Weltgeschehen und immerhin 4 Prozent nutzen hierfür WhatsApp.

Es wird also schwer, die Userinnen und User trotz aller zu Recht erhobenen datenschutzrechtlichen Bedenken von WhatsApp zu entwöhnen.

Autor: MB

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