Machen Memes fett und faul?

Eigentlich sollen Memes – also meist witzige Bilder, Kurzvideos und andere Motive, die mit einem kurzen Text versehen sind und damit aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissen werden und eine neue, virale Bedeutung erlangen – die Milliarden von Social-Media-Nutzern zum Lachen und Schmunzeln bringen.
Jetzt aber haben Forscher der britischen Loughborough University dafür gesorgt, dass einem das Lachen fast schon im Halse stecken bleibt. Sie nämlich haben festgestellt, dass gerade Memes, die in einer ungesunden Art und Weise Essen, Essensgewohnheiten oder auch übergewichtige und fettleibige Menschen als Motiv haben, eine gewisse Gefahr für Teenager und deren Gesundheit darstellen.

Ungesundes und Unangemessenes wird zur Normalität

Memes sind bezüglich des Alters oder der Reife der Empfänger blind. Dadurch, so die Untersuchung, sind gerade Teenager zahlreichen Memes ausgesetzt, die ihrem Alter nicht angemessen sind. Dazu gehören den Forschern zufolge letztlich vor allem jene Memes, die einen ungesunden Lifestyle, eine unausgewogene Ernährung, Bewegungsmangel, Faulheit, Fettsucht und Übergewicht propagieren – wenn auch meist augenzwinkernd. Nur dringt diese Ironie nicht zu allen Teenagern durch.

Die Folge: Die Akzeptanz für Ungesundes und Schädliches steigt alleine durch die Flut entsprechender und meist als harmlose Witzbilder daherkommender Memes, die zum festen Bestandteil der Social Media sowie Messenger und damit auch zum Alltag der Jungen und Mädchen gehören. Und je öfter, unkommentierter und unreflektierter solche Memes gesehen und geteilt werden, desto größer die Gefahr, dass am Ende ein ungesunder Lebenswandel als normal angesehen wird.

Heiterkeit als häufigste Reaktion auf Memes

Als Basis ihrer Untersuchung diente den Forschern der Kurznachrichtendienst Twitter. Diesen durchsuchten sie nach bestimmten Hashtags und konnten anhand eines semantischen Sprachmodells auch erkennen, welche Emotionen die jeweiligen Reaktionen der jugendlichen User in sich trugen. Eines der Ergebnisse alarmiert die Wissenschaftler besonders: Egal, welche Botschaft oder Bilder die Memes auch in sich trugen, die Teenager reagierten am häufigsten mit Heiterkeit.

Diese fehlende kritische Distanz wird dann zum Problem, wenn die viralen Bilder, Videos und Texte im Laufe der Zeit und ihrer schieren Menge wegen dazu führen, dass es entweder als normal hingenommen wird, über gesundheitsbewusste oder über dickleibige und essgestörte Menschen zu lachen und zu spotten oder aber auch Übergewicht, Fettleibigkeit, fehlende Bewegung und allgemein ungesunde Dinge zum normalen Bestandteil des Welt- und Gesellschaftsbildes der Teenager werden.

Wie gefährlich sind Memes tatsächlich?

Was die Forscher im Grunde verstehen wollen, ist die Art und Weise, wie Memes als Kulturgut und nicht selten auch als Identifikationsmuster auf Teenager wirken. Führen sie tatsächlich zu einer Normalisierung von Ungesundem? Zur weiteren Akzeptanz der Verhöhnung von Übergewichtigen, Fettleibigen aber auch Gesundheitsbewussten und zum Ablehnen von allen, die nicht der „Norm“ entsprechen? Wie also prägen Memes das Welt- und Gesellschaftsbild der Teenager?

Feuern sie gar bereits bestehende Vorurteile, Vorverurteilungen und Ressentiments gegen Menschen, die vermeintlich anders sind, zusätzlich an? Schließlich besitzen Memes allein aufgrund ihrer Machart einen Hang zum Manipulativen, werden diese Internet-Schnipsel doch aus mehreren Teilen zusammengefügt und damit in einen völlig neuen und willkürlichen Zusammenhang gebracht.

Die Wissenschaftler können hier nur indikative Ergebnisse zeigen, die auf eine Rolle der Memes in Sachen ungesunder Lebenswandel, Intoleranz und Bestätigung von Vorurteilen hinweisen könnten. Das ist umso heikler, als laut Weltgesundheitsorganisation in Großbritannien gut ein Drittel der Kinder fettleibig ist, während es in den anderen europäischen Ländern weniger als ein Fünftel sind.

Um Memes und deren Rolle in Bezug vor allem auf die Gesundheit und die Ernährung der Teenager noch besser zu verstehen, sind weitere Studien geplant, in denen neben Twitter auch Instagram und Pinterest nach entsprechenden Memes und den Emotionen der Teenager dabei untersuchen werden sollen.

Facebooks Rosetta will „böse“ Memes identifizieren

Facebook hat mit Künstlicher Intelligenz namens Rosetta ja bereits einen Schritt in Richtung der Erkennung von Memes getan, die gegen die Policy von Facebook und Instagram verstoßen. Doch auch solche Programme werden Bilder, die beispielsweise einen aus Pizza, Hamburgern und Würstchen geformten Körper oder auch jenes von Lu Hao (leider vor allem als „Fat Asian Kid“ bekannt) zeigen, wohl kaum auf den Index stellen, da sie auf den ersten Blick selbst durch die scharfe Brille der Künstlichen Intelligenz nichts Verwerfliches darstellen (Quelle: Knowyourmeme).

Es muss also eine gesellschaftliche Diskussion darüber angestoßen werden, wie harmlos bzw. schädlich Memes tatsächlich sind und wie man künftig mit ihnen in den Social Media umgehen soll. Schweden hat hierbei bereits ein mehr oder minder starkes Exempel statuiert. Deren Werbewettbewerbshüter „Reklamombudsmannen“ verurteilten das von einem Unternehmen genutzte „Distracted Boyfriend“-Meme als sexistisch sowohl für Männer wie auch für Frauen (Quelle: Knowyourmeme / Antonio Guillem).

Zudem könnte es den Memes auf Facebook, Twitter und Co. auch von anderer Seite bald „an den Kragen gehen“. Mit der Billigung der Reform des Urheberrechts seitens des EU-Parlaments könnte es künftig auch zum Einsatz von Uploadfiltern in den Social Media kommen, mit denen sich die Plattformen ihrerseits gegen Urheberrechtsverstöße seitens ihrer User schützen und entsprechenden Content bereits beim Hochladen identifizieren könnte. Und diesen Filtern würden am Ende sicher auch viele mit einem Copyright versehene Memes zum Opfer fallen. Doch Widerstand hat sich bereits formiert, in der Form der Initiative Save the Meme. Die nämlich will verhindern, dass durch die Verpflichtung der Internetanbieter zum Filtern aller Uploads auch legal genutzte Inhalte mit Copyright – und damit eben auch Memes – „automatisiert zensiert“ und pauschal gelöscht werden. Wir sind gespannt, wie und in welchem Habitat der Fortbestand der Memes gesichert wird.