Nike Air Max 270: Blasphemie auf Schritt und Tritt?

Fantasie und Kreativität sind unbestritten zwei der wichtigsten Eigenschaften, die man in der Werbung benötigt. Manche behaupten ja, dass es helfe, sich auf den Kopf zu stellen, um Auswege aus kreativen Sackgassen zu erkennen. Mitunter aber führt das Kopfstehen zu kreativen Prozessen, die nicht im Sinne des Erfinders (aka der Brand) waren. So geschehen mit Nikes Air Max 270. Dreht man nämlich den Schriftzug „Air Max“ so, dass er kopfsteht, lässt sich daraus wohl auch das arabische Wort für „Allah“ herauslesen.

Gut ein Jahr nach Markteinführung des Air Max 270 startete Saiqa Noreen eine Petition auf der Plattform change.org. Ihr Ziel: Nike soll die Sneaker vom weltweiten Markt nehmen. Es sei nicht hinzunehmen, dass der Name Gottes oder eben das arabische Wort, das dafür steht, im wahrsten Sinne des Wortes von Füßen getreten und durch Straßendreck beschmutzt werde. Innerhalb von drei Wochen unterzeichneten immerhin mehr als 35.000 Unterstützer diese Petition.

Nichts Religiöses, sondern nur Repräsentation der Air-Max-Marke

Der weltweit größte Sportbekleidungshersteller reagierte beschwichtigend auf die Vorwürfe. Es handle sich beim dem Schriftzug lediglich um eine stilisierte Darstellung des Markennamen „Air Max“. Dieses Branding hatte Nike zudem extra für den Air Max 270 entwerfen lassen. Man respektiere alle Religionen und nähme solche Bedenken sehr ernst. In jedem Fall aber sei der Air-Max-Schriftzug wirklich nur dazu entworfen worden, um eben die Marke Air Max darzustellen. Alle anderen Bedeutungen, die sich daraus möglicherweise lesen ließen, seien unbeabsichtigt.

Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass Nike mit Protesten dieser Art konfrontiert wird. Vor ziemlich genau 22 Jahren nämlich nahm die Sportmarke weltweit 38.000 Paare Sportschuhe aus dem Verkauf, deren flammender Schriftzug ebenso wie der vom Air Max 270, eine Lesart des arabischen Wortes für Allah erlaubte. Zudem spendete das Unternehmen 50.000 US-Dollar an islamische Grundschulen in den USA.

Auch Amazon muss aufräumen

Ähnlich wie Nike erging es jüngst einem anderen US-Schwergewicht. So protestierte der Council on American-Islamic Relations (CAIR) jüngst unter anderem gegen Badematten, die Händler auf der Amazon-Plattform verkauften, die arabische Kaligraphien tragen, die sich wiederum auf religiöse Texte beziehen. Auch hier wollte man den eigenen Glauben auch nicht mit gewaschenen Füßen getreten sehen. Amazon reagierte und nahm gut ein Dutzend dieser Produkte aus seinem Online-Angebot.

Sind interreligiöse und interkulturelle Marketing-Missverständnisse vorprogrammiert?

Neben Nike und Amazon sehen sich global agierende Brands immer wieder großen Herausforderungen ausgesetzt. Was ist rassistisch oder könnte entsprechend gedeutet/verstanden werden? Was verletzt religiöse Gefühle? Erst jüngst bekam das Modelabel Dolce & Gabbana darauf eine Antwort – in Form eines ausgewachsenen chinesischen Shitstorm (wir berichteten). Je weiter sich Marken mit ihren Produkten in die weite Welt (auch der Social Media) wagen, desto sensibler müssen sie vorgehen, reagieren und desto gründlicher auch recherchieren.

Nike jedenfalls wollte 2017 zeigen, dass sie ihre Lektion gelernt haben und präsentierten ein Jahr nach den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro nicht nur die Nike Pro Hijab, sondern mit der US-amerikanischen Säbelfechterin und Bronzemedaillengewinnerin Ibtihaj Muhammad auch ein Testimonial, das nicht nur als erste muslimische Sportlerin mit einem Hijab antrat, sondern sich eben auch als erste muslimische Athletin überhaupt eine Medaille für die USA bei Olympia erkämpfte. Damals zwar noch ohne Nike Pro Hijab, dafür aber mit jeder Menge wertvoller Erfahrung, die in dessen Entwicklung einflossen und wovon nun auch andere Athletinnen wie die deutsche Boxerin Zeina Nassar profitieren.