
Rechtzeitig zur Europawahl Ende Mai launcht Facebook europaweit eine Reihe von Neuerungen, die politische Werbung im Social Network transparenter machen sollen. Wer jetzt auf Facebook oder Instagram politisch werben will, muss sich vorab registrieren. Darüber hinaus dürfen Anzeigen nur in dem Land geschaltet werden, das in der Registrierung als beglaubigtes Herkunftsland verzeichnet ist. Zudem wird politische Werbung sieben Jahre in einem Werbearchiv gespeichert, inklusive Personen- und Zahlungsdaten der Werbetreibenden. Politische Werbung von nicht registrierten Absendern will der Konzern ab Mitte April blockieren.
Das Archiv ist für jeden Internetnutzer einsehbar, nicht nur für Facebook-User. Interessierte Bürger können es nach Stichworten durchsuchen und sehen, wer wie viel Geld für welche Werbung – und für welche Zielgruppen – gezahlt hat. Wissenschaftler, Wahlbeobachter oder Journalisten können sich für umfassende Analysen auch einen Schnittstellen-Zugang für das Archiv geben lassen. Mit Hilfe dieser sogenannten API sollen große Datenmengen schnell und strukturiert heruntergeladen werden können. Die „Werbebibliothek" für politische Werbung gibt es für die USA bereits seit Mai vergangenen Jahres. Aus gutem Anlass: Aufgrund der Wählerbeeinflussung rund um den US-Präsidentenwahlkampf 2016, der Brexit-Abstimmung und des irischen Abtreibungsreferendums war der Konzern massiv in Kritik geraten.
So kamen nach Trumps Wahlerfolg die mit russischen Rubel finanzierten Propaganda-Kampagnen gegen seine Präsidentschaftskonkurrentin Hillary Clinton ans Licht. Teilweise gezielt nur an die afro-amerikanische Wählerschaft ausgespielt, um deren Wahl-Motivation zu schmälern. Mit der neuen Registrierung und dem Werbearchiv sollte diese Art der Wählerbeeinflussung nun nicht mehr möglich sein – oder zumindest offensichtlich werden.
Klingt toll – in der Theorie. In der Praxis hat die Transparenz-Kampagne mehrere Hasenfüße. Denn zum einen kann die Registrierung per Ausweis oder anderem beglaubigten Dokument offenbar leicht umgangen werden, da Facebook diese Daten nur sporadisch überprüft. So gelang es Journalisten des amerikanischen Vice-Magazins, sich für amerikanische Wahlwerbung als US-Vizepräsident Mike Pence und sogar als Islamischer Staat zu registrieren und in deren Namen Anzeigen zu schalten. In beiden Fällen akzeptierte Facebook diese anstandslos – sowie noch 100 weitere angebliche US-Senatoren. Daraufhin räumte der Konzern offenbar ein, dass die Identifikations-Methode nicht absolut fälschungssicher sei, man es Manipulatoren aber so schwer wie möglich machen wolle.
So schwer wie möglich wird es zudem auch denjenigen gemacht, die große Datenmengen via Facebook-API extrahieren wollen. Wie die Süddeutsche berichtet, hält sich die Begeisterung eines Wissenschaftlers der New York University für diese Datenschnittstelle eher begrenzt: „Die Facebook-API ist nicht für die Transparenz ausgelegt, die Facebook jetzt bieten will. Sie hat eine Menge Beschränkungen, es gibt ein Zeitlimit, ein Mengenlimit und dann noch ein Rechenlimit.“ Schade eigentlich.
Auch Zuckerbergs jüngster Ruf nach globaler Regulierung des Internets schießt in diese Richtung. In einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ forderte der Facebook-Chef neue, international abgestimmte Regeln für das Internet und eine „aktivere Rolle von Regierungen und Regulierungsbehörden.“ Auch bei Maßnahmen gegen politische Manipulation sieht Zuckerberg Regulierungsdefizite.
Klingt gut, jedoch würde die Umsetzung der Zuckerbergschen Vorschläge potentieller Konkurrenz den Markteintritt mit großer Wahrscheinlichkeit stark erschweren, während Facebook selbst entsprechende Strukturen bereits aufgebaut hat.
Autor: KS
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