Blickwinkel

WhatsApps Desinformationsdelle

Trends und Innovationen

Mit weltweit rund 1,5 Milliarden Nutzern ist WhatsApp nicht nur der erfolgreichste Messenger der Welt, sondern tatsächlich auch eine mediale Macht. Wie stark diese Power ist, lässt sich leider immer wieder auch an Negativbeispielen ablesen. Da WhatsApp gerade im Süden des Globus aufgrund schlechter ITK-Infrastruktur, fehlenden oder sehr kostspieligen Internetzugängen oder nicht vorhandener Netzneutralität – was dazu führen kann, dass die eine oder andere Regierung ab und an den Saft abdreht und das Internet praktisch sperrt – so populär ist, spielt die Messenger-App vor allem in Ländern wie Indien, Malaysia und der Türkei, aber auch in Südamerika eine zentrale Rolle in der Kommunikation der Menschen. Damit trägt der Messenger auch eine enorme Verantwortung dafür, dass der Dienst und die Funktionen nicht für die Verbreitung von Falschmeldungen und Desinformation missbraucht werden.

Schließlich, so einige Zahlen aus dem Reuters Institute Digital News Report 2018, wird WhatsApp mittlerweile und weltweit von 16 Prozent der in diesem Bericht Befragten als Newsquelle genutzt und hat Twitter in dieser Funktion überholt. In Malaysia sind es sogar 54 Prozent und in Brasilien 48 Prozent, die die Messenger-Anwendung als ihre primäre Quelle für Nachrichten nutzen. Eine weitere, kritische Korrelation aus dem umfangreichen Bericht besteht darin, dass je restriktiver die jeweilige Regierung in Sachen Meinungsfreiheit ist und je mehr Angst die Bevölkerung vor dem öffentlichen Äußern der eigenen womöglich konträren Meinung hat, desto verbreiteter ist WhatsApp.

Indien als einer der WhatsApp-Desinformations-Hotspots

Die renommierte britische Tageszeitung The Guardian berichtete jüngst über schlimme Vorfälle von Lynchjustiz in Indien. Ausgang hierfür war ein über WhatsApp verbreitetes Video, das bereits seit Tagen in einigen Gruppen und unter zahlreichen Usern kursierte und vor Männern warnte, die durchs Land ziehen und Kinder stehlen würden. Als zwei Männer, die in Indiens nordöstlicher Provinz Assam unterwegs waren, in einem Dorf nach dem Weg fragten wollten, wurden sie von einem Mob aufgebrachter Menschen aus ihren Wagen gezogen und zu Tode geprügelt, weil man sie fälschlicherweise für jene Kinder entführenden Verbrecher hielt.

Dieser Vorfall ist keine traurige Einzelerscheinung. Vielmehr gab es in den letzten Monaten Dutzende solcher Mord- und Vorfälle in Indien, bei denen immer wieder der Name WhatsApp fiel. Über 200 Millionen Menschen in Indien nutzen schließlich den Messenger. Der indische Journalist Nikhil Pahwa forderte jüngst auch deshalb grundlegende Änderungen bei WhatsApp. Dabei müssten, so Pahwa, alle beteiligten Seiten – also Regierung, Medienprofis wie aber auch WhatsApp – miteinander arbeiten, um Desinformationen über den Messenger und den daraus resultierenden, teilweise verheerenden Folgen zu begegnen. Die liegen irgendwo tief in der WhatsApp-DNA. Wie diese Dark-Social-DNA in seiner Ambiguität treffend beschrieben werden kann, illustriert ein Zitat aus dem oben erwähnten Digital News Report 2018 von Reuters: „It’s a message to you [on WhatsApp] not a message to everyone.“

Denn die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung erlaubt es nicht einmal WhatsApp selbst, verdächtige Chats, Nachrichten, Gruppen und User so einfach zu identifizieren. Das ist gut für den Datenschutz sowie die Privatsphäre und stellt gerade in autoritären Regimes eine sichere Plattform für den freien Meinungsaustausch dar. Auf der anderen Seite aber kann genau der Charakter der geschlossenen Gesellschaft dazu führen, dass eben diese Anonymität die Verbreiter von Fake News und Desinformation – und das sind nicht selten autoritäre Regimes und deren Geheimdienste selbst – vor Enttarnung schützt.

So könnte WhatsApp den Kampf gegen Desinformation führen (und gewinnen)

Grundlegend sollten Maßnahmen wie die Aufklärung und angemessene sprachliche Gegenreaktion und auch das Entlarven von Desinformationen zur Prävention sowie Reaktion auf das gezielte Verbreiten von Falschmeldungen ergriffen werden. Genauso wichtig sind Fort- und Weiterbildungen im Bereich Medien bzw. Social Media.

Zudem sollten Nutzer entscheiden können, ob ihre Nachrichten privat oder öffentlich gestellt werden, wobei die Grundeinstellung immer die private sein sollte.

Weiterhin schlägt Nikhil Pahwa vor, dass es dem ursprünglichen Absender einer Nachricht möglich sein sollte, zu erlauben oder zu unterbinden, dass der von ihm oder ihr eigenstellte Privatstatus einer Nachricht nicht von anderen auf Öffentlich umgestellt werden kann. Denn nur im öffentlichen Status soll das Weiterleiten für den Autor selbst möglich sein.

Durch das Vergeben einer einzigartigen ID für jede Nachricht soll es staatlichen Stellen wie auch WhatsApp möglich sein, jede öffentliche, also keine private, Nachricht bis zum eigentlichen Absender zu verfolgen. Ähnlich anderer Netzwerke schließlich sollte es auch für WhatsApp-Nutzer künftig möglich sein, anstößige Inhalte, Spam, etc. an WhatsApp zu melden. Dessen Mitarbeiter müssten dann wie die Facebook-Cleaner sichten und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Und was macht WhatsApp?

Die weltweit führende Messenger-App hat kürzlich einige Funktionsänderungen eingeführt, die zumindest mit großer Fantasie betrachtet in Richtung mehr Transparenz gehen. So sollen Gruppenbeschreibungen dabei helfen, den Sinn und Zweck einer Gruppe gerade auch neuen Teilnehmern schnell und transparent anzuzeigen. Weiterhin wurden die Berechtigungen der Gruppenadministratoren erweitert, die jetzt den Personenkreis derer einschränken können, die dazu berechtigt sind, den Namen, das Bild und die Beschreibung der Gruppe zu ändern.

Auch dürfen Admins künftig anderen Teilnehmern den Admin-Status entziehen. Die Gründer einer Gruppe schließlich können nicht mehr von anderen aus selbiger entfernt werden. Außerdem hat WhatsApp einen Mechanismus eingeführt, durch den es nicht mehr möglich sein soll, Personen immer wieder zu einer Gruppe hinzuzufügen, obwohl diese die Gruppe bereits und mehrfach verlassen haben. Nicht zuletzt kann sich nun jeder User einen Überblick auch über verpasste Nachrichten verschaffen, in denen er oder sie (auch negativ) erwähnt wurde.

Autor: MB

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