
In unserem Format „Oberwasser“ nehmen wir uns die Zeit, mit Entscheidern sowie Spezialisten aus der Kommunikationsbranche zu sprechen und ihnen auf den Zahn zu fühlen.
In Oberwasser werden substanzielle Insights zum Business und der Branche geliefert, von denen, die es genau wissen, wie Mirko Kaminski.
Name: Mirko Kaminski
Alter: 48
Job / Firma: Gründer & CEO, achtung!
Mein Corona-Skill (Dinge, die ich während Corona gelernt habe): Zu meditieren und lustige Zoom-Hintergrundbilder zu gestalten
1) Auf welcher Plattform hat man dich während des Lockdowns am meisten gefunden und welcher Content hast du dort konsumiert?
Auf welcher Plattform? Im Grunde könnte man ja auch den #FehmarnSteg als Plattform betrachten. 🙂 Jedes Jahr fange ich schon im April damit an, morgens vom Steg in die Ostsee zu springen. Da konsumiere ich aber keinen Content, sondern produziere welchen. Mit iPhone, Gopro oder Drohne – je nachdem. Ich poste die Videos der Stegsprünge unter anderem auf Facebook und LinkedIn. Total irre: Manchmal schauen sich über alle Plattformen hinweg 50.000 Menschen oder mehr einen morgendlichen Sprung an. Und es kommen Marketingentscheider auf mich zu, die sagen: „Ich sehe morgens immer ihre Stegsprünge! Wir sollten mal sprechen.“ Ich habe während des Lockdowns eine Zeit lang im „Insel-Office“ auf Fehmarn gearbeitet. Meine Familie war in unserem Ferienhaus, ich tagsüber im Nachbarort. Damit ich ungestört an Videomeetings teilnehmen konnte, hatten mir nämlich Freunde auf ihrem Hof eine der leeren Ferienwohnungen zur Verfügung gestellt. Morgens bin ich über den Deich mit dem Fahrrad hingefahren und abends zurück. Das war eine merkwürdige, aber auch bemerkenswerte und schöne Zeit.
2) Wie bleibst du trotz Distanz beruflich und privat in Kontakt?
Ich bin weiter vorsichtig, wir bei achtung! sind weiter vorsichtig. Wir reisen nur in absoluten Ausnahmefällen und mein letztes Geschäftsessen liegt lange zurück. Ich persönlich bin ein großer Fan von Videotreffen geworden und nutze sie nicht nur beruflich, sondern auch privat. Zudem habe ich wie viele andere einen riesigen Spaß bei der Auswahl oder Gestaltung überraschender Zoom-Hintergründe. Manchmal lass‘ ich im Hintergrund auch einen Stegsprung mit Sonnenaufgang laufen.
3) Seit Corona ist kein Tag wie der andere und Entscheidungen, die du gestern getroffen hast, sind heute schon wieder egal. Wie motivierst du dich dennoch jeden Tag aufs Neue?
Ich komme ja eigentlich aus der Krisenkommunikation. Da ist man erfahren mit größtem Druck, dynamischer Entwicklung und schwierigsten Situationen. Es mag sich kurios anhören, aber ich habe das Gefühl, dass ich in kritischen Situationen am besten bin. Ich will nicht sagen, dass ich dann aufblühe, aber einen Energieschub spür‘ ich dann schon. Da muss ich mich gar nicht künstlich motivieren. Ich bin von innen heraus und bis in die Haarspitzen voller Energie und Tatendrang.
4) Wie wird die Corona-Krise dein Arbeitsumfeld langfristig beeinflussen?
Selbstverständlich und auf so vielfältige Weise verändern die Pandemie und ihre vielschichtigen Konsequenzen unser Leben, unsere Arbeit und die ganze Welt. Der Durchbruch in Sachen Homeoffice und die Erkenntnis, dass man weder für ein einstündiges Meeting noch für einen umfassenderen Workshop durch die ganze Republik reisen muss, sind da wohl das Offensichtlichste. Darüber hinaus aber wird sich Gravierendes tun und verändern. Wir stehen vor einer der größten Wirtschaftskrisen, die unsere Welt je erlebt hat. Ich denke, dass wir uns noch gar nicht ausmalen können, wie unser Leben Ende 2021 aussehen wird.
5) Glaubst du, Deutschland hat Corona gebraucht, um den digitalen Wandel voranzutreiben?
Dass mittlerweile fast jeder eine Videokonferenz einrichten kann und jetzt auch kleinere Läden online verkaufen, bedeutet noch lange nicht, dass wir in Sachen Digitalisierung einen riesigen Sprung nach vorne gemacht hätten. Ich erlebe, wie schwer sich die Schulen und viele Lehrer dort tun. Ich beobachte, wie viele Unternehmen digitale Transformation missverstehen. Ich bin Zeuge, wie einzelne in Unternehmen, Behörden und Ministerien Digitalisierung ausbremsen. Mal aus Angst vor Veränderung, mal aus purem Eigeninteresse. Ich bin in Sachen digitaler Wandel nicht so optimistisch wie der Fragesteller.
6) Wer ist dein „hidden Champion“ in der Corona Krise?
Es mag platitüdenhaft klingen, aber für mich sind im wahrsten Sinne des Wortes alle hidden Champions, die sich für andere einsetzen, ohne gesehen und dafür anerkannt zu werden. Pflegekräfte, Feuerwehrleute, Krankenwagenfahrer,... Kurz wurde für sie auf Balkonen applaudiert. Da waren sie vorübergehend mal nicht hidden. Jetzt aber sind sie leider in die Unsichtbarkeit zurückgeglitten. Und höhere Gehälter bekommen sie wohl auch nicht. Das kollektive Gedächtnis ist ein Kurzzeitgedächtnis.
7) Ist Corona für dich noch das bestimmende Thema oder sind Themen wie #blacklivesmatters, Trump oder der nächste Mallorca Urlaub wichtiger?
Corona und alle daraus wachsenden Konsequenzen sind derzeit ohne Zweifel das größte Thema. Das meint die Auswirkungen auf die Agentur, die Auswirkungen auf unsere Kunden, die meist noch gar nicht wirklich absehbaren Folgen für Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Selbstverständlich aber gibt es weitere Themen. Und diese Themen haben wegen der drastischen Corona-Erfahrungen einen neuen, einen höheren Wert erfahren: die Pflege von Freundschaften, Familie, Herkunft,...
8) Glaubst du, Corona hat dich und uns alle kritischer gemacht?
Corona ist Brennglas und Beschleuniger zugleich. Unter dem Brennglas ist vieles deutlicher geworden: der Charakter eines Menschen, die Schwächen eines Unternehmens, die Führungsstärke oder -schwäche von Politikern, die Innovationsfähigkeit einer Organisation,... Und allerhand Holzköpfe sind zu noch größeren Holzköpfen geworden und pressen laut schreiend in nur einem Satz 5G, Bill Gates, Freimaurer, Familie Rothschild, Zwangsimpfung, angeblich geplante Bevölkerungsreduktion und Kindesentführungen zusammen. Irre!
9) Glaubst du, Marken / Firmen müssen jetzt auf diese Themen reagieren oder sollten sie es lieber ignorieren?
Puh. Mit der Frage kann ich wenig anfangen. Was meint denn „diese Themen“? Sind da auch der Handelskrieg zwischen den USA und China, der Brexit, die Flucht von Meghan und Harry, die Hongkong-Krise und der irrlichternde Trump gemeint? Ein Unternehmen muss NIE auf alles, was passiert, reagieren. Es muss auf das reagieren, was fürs Unternehmen und seine Stakeholder – insbesondere die Kunden – wichtig ist.
10) Dein Tipp, um Oberwasser in Zeiten von Corona zu behalten
Ich persönlich bekomm‘ Oberwasser unter Wasser. Die Sprünge vom Steg, die fehmarnsche Bodenständigkeit, der Horizont, eine steife Brise aus West,... Ich brauche nicht viel, um den Energiespeicher aufzuladen und „oben auf“ zu sein.
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